Weser-Kurier vom 08.10.2015
Signum – Zeichen – Znak
Bremer Kinder- und Jugendkantorei zu Gast beim Partnerchor „Con Brio” in Wrocław (Breslau)
Bremen·Wrocław. Am Tag der deutschen Einheit ist die Bremer Kinder- und Jugendkantorei in Polen aufgetreten. Gemeinsam mit ihrem Gastgeber, dem Chor „Con Brio”, sangen die jungen Bremerinnen und Bremer unter dem Motto „Signum – Zeichen – Znak”. In der Aula der Technischen Universität. Die beiden Chöre präsentierten Stücke aus ihrem eigenen Repertoire, sangen aber auch gemeinsam „Gaudeamus hodie” („Lasst uns heute fröhlich sein”) und „Signum” („Zeichen”).
Die Freude über das Wiedersehen fast ein Jahr nach dem Besuch der Breslauer Kinder und Jugendlichen in Bremen war groß. „Viele Bremer wurden in den Familien ihrer damaligen Gäste aufgenommen, die Kontakte wurden in der Zwischenzeit per E-Mail oder Facebook gehalten“, berichtet Maria Luft aus Huchting und übermittelt ein Zitat der Direktorin der Breslauer Musikschule, Irena Maciukiewicz-Schmidt: „Die Musik verbindet unsere Kinder über Länder- und Sprachgrenzen. Diese großartige Erfahrung wollen wir ihnen ermöglichen, denn jede Generation muss sie neu für sich entdecken.”
Generalkonsulin Elisabeth Wolbers habe gemeinsam mit Stadtpräsident Rafał Franciszek Dutkiewicz die Schirmherrschaft übernommen und das Engagement der jugendlichen Sängerinnen und Sänger und der beiden Dirigentinnen Małgorzata Podzielny und Ilka Hoppe aus Schwachhausen gelobt, erzählt Maria Luft.
„Am Morgen des 3. Oktober setzten die beiden Chöre aus Breslau und Bremen noch ein besonderes musikalisches Zeichen am historischen Busdepot, heute Gedenkort für die Gewerkschaftsbewegung Solidarität in Breslau und die Freiheitsbestrebungen in Europa“, berichtet die Sprecherin des Vereins. 1980 habe es an diesem Ort den ersten großen Streik in Breslau gegeben, und dort sei eine Niederlassung der Gewerkschaft „Solidarität” entstanden. „Die Bedeutung der polnischen und der deutschen Geschichte für das heutige Europa und ihre enge Verflochtenheit werden hier sichtbar gemacht.“
Rafał Franciszek Dutkiewicz habe im Zusammenhang mit dem „Projekt Signum” eine Stelle aus dem Buch „Meine fünf Deutschland“ des gebürtigen Breslauer Historikers Fritz Stern in einem Blog erwähnt: „So schaute ich etwa von Ferne zu, als Wrocław in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine neue, noble Bedeutung gewann: Es wurde zu einer Hochburg der Solidarnoc, jener polnischen Bewegung, die zur Selbstbefreiung Osteuropas und zum wiedervereinigten Deutschland (meinem fünften) führte.“ Es war eine Reise, die auch touristisch einiges zu bieten hatte: Wrocław (Breslau) wird 2016 gemeinsam mit der baskischen Stadt San Sebastian Kulturhauptstadt Europas. Die Bremer Gäste haben die Altstadt und die Dominsel besichtigt, von der Aussichtsterrasse im 49. Stock des Sky Towers geblickt und sind in einer historischen Straßenbahn zum Zoo gefahren, um sich die „afrikanischen Wasserwelten” im Afrikarium anzusehen.
Die Voraussetzungen, unter denen die Bremer und die Breslauer Kinder und Jugendlichen proben, sind sehr unterschiedlich, wie Maria Luft anmerkt. „Con Brio” sei ein Chor einer staatlichen Musikschule, die Bremer Kinder- und Jugendkantorei werde von einem gemeinnützigen Elternverein getragen. Die über 100 Kinder und Jugendlichen seien zwischen sechs und 18 Jahren alt und kommen aus dem Viertel, aus Walle, aus Schwachhausen, Huchting, Hastedt und anderen Teilen der Stadt oder auch aus dem Bremer Umland. Viele von ihnen haben Wurzeln in anderen Ländern, etwa in Polen, Russland, Ukraine, Türkei.
„Die Bremer Kinder- und Jugendkantorei steht für eine Verbindung von musikalisch anspruchsvoller Arbeit mit der Erziehung zu sozialer Verantwortung“, sagt die Sprecherin des Vereins, der mit Elementen von Musik und Theater arbeitet. In diesem Jahr unter dem Themenschwerpunkt „Flucht und Flüchtlinge“.