Weser-Kurier-Artikel vom 26.09.2024

Weser-Kurier vom 26.09.2024

Wo die Schüler in Särgen schlafen

Bremer Jugendkantorei probt für eine Kinderoper mit kleinen Vampiren.

Von Sigrid Schuer

In der Aula der Oberschule an der Schaumburger Straße wird für die anstehende Premiere der Kinderoper ›La Bohème – in Leben für die Schule‹ konzentriert und fleißig geprobt. Martin Lentz, Leiter unter anderem des Kammerorchesters Bremen, hat Melodien aus der Künstleroper, La Bohème des italienischen Komponisten, Giacomo Puccini, der vor 100 Jahren starb, für sein junges Orchester und seine jungen Gesangssolisten der Bremer Kinder- und Jugendkantorei quasi mundgerecht arrangiert.

Doch die Handlung spielt nicht wie bei Puccini tief im Winter im Pariser Quartier latin. In der Kinderoper, die Imke Burma geschrieben hat, geht es nicht um das Leben und Lieben armer Künstler, sondern um die kleinen Vampire des Internates Schloss Discimus. Die bekommen nämlich unverhofft Zuwachs von ganz normalen Altersgenossen. Diesen Kids wurde zuvor erzählt, dass sie künftig auf dem Ostseeinternat Plön zur Schule gehen sollen. Doch Pustekuchen! Erschrocken stellen sie fest, dass sie auf Schloss Discimus Särge statt Betten beziehen sollen und der Unterricht ausschließlich nachts erteilt wird.

Tomaten- und Himbeersaft statt Blut.
Ängstliche Nachfrage von den Neulingen: »Was ist eigentlich, wenn die uns beißen wollen?« Der Lehrer weiß zu beruhigen: »Bis zur Volljährigkeit trinken eure Klassenkameraden ausschließlich Tomaten und Himbeersaft.« Trotzdem, so stellt sich bei den anfänglichen Reibereien heraus: Die weiß geschminkten, kleinen Vampire können ganz schön zickig sein. Vielleicht auch verständlich, ist Lehrer Würfel ausgerechnet ein staatlich lizenzierter Vampirjäger. Ganz schön schwarz, aber doch sehr vergnüglich, ist der Humor, der aufblitzt.

Mit höchster Konzentration verfolgen auch Ilka Hoppe, Leiterin der Bremer Kinder- und Jugendkantorei, und Nika, C. Jäger, zuständig für Regie und Theaterpädagogik, das Probengeschehen. Von besonderer Relevanz ist für Jäger das chorische Sprechen auf der Bühne, so wie es seine Regiekollegen Volker Lösch und Einar Schleef in ihren Bürgerbühnen-Produktionen eingeführt haben. Das verleihe den Sorgen und Nöten, die die Schülerschaft auf der Bühne formuliere, noch größere Ausdruckskraft, so Jäger. Denn, und das ist das Aktuelle, gesprochen wird vom Leistungsdruck und dem Nicht-gesehen-Werden individueller Fähigkeiten und Charaktereigenschaften. Ein entscheidender Satz, der fällt: »Ich wünsche mir, nicht einsam zu sein, wenn ich allein bin!«. Und auch die Idealvorstellung von einer Schule wird formuliert: Respekt und Geduld im Umgang bräuchte es und zu allererst funktionierende Schultoiletten.

Die Bremer Kinder- und Jugendkantorei wurde 2008 gegründet und hat seitdem jedes Jahr eine eigene Produktion auf die Bühne gestellt. Die 60 Mitglieder der Kantorei sind zwischen fünf und 24 Jahre alt und kommen aus allen Stadtteilen Bremens.